Der katholische Umgang mit Sühne und Kritik

Im Grunde ist es nicht nötig, die fortwährend ans Licht kommenden Missbrauchsfälle unter anderem, aber auch gerade in der Katholischen Kirche zu kommentieren, denn an Empörung wurde schon alles geäußert, was einem bei diesen Meldungen in den Sinn kommt.
Doch aller Empörung zum Trotz, scheint die Kirche die Verhältnisse um 180° umdrehen zu wollen und realisiert scheinbar überhaupt nicht, dass sie ihr eigenes Ansehen, ihre eigene moralische Glaubwürdigkeit und Autorität mittlerweile vollkommen untergraben hat und fleißig an ihrem eigenen Grab schaufelt. Die Kirche beherzigt nicht den zentralen Grundwert ihres Glaubens, den sie ihren Schäfchen auf allen Beichtstühlen überall auf der Welt ans Herz legt – Sühne.
Nein, die Kirche sucht keine Sühne. Sie bittet nicht um Entschuldigung und nein, sie zeigt nicht einmal Mitgefühl mit den Opfern, denn ganz offensichtlich sieht sie sich selbst als Opfer, da die Menschen es wagen, an ihrer Fassade zu kratzen, weil sie es wagen, wie es der Kardinal Sodano bei der heutigen Ostermesse auf dem Petersplatz formulierte, mit „unbedeutendem Geschwätz“ das Ansehen des Papstes zu beschädigen. Belohnt wurde diese Aussage, für deren Kommentierung jedem gesunden Menschenverstand die Worte fehlen, mit einer Umarmung des „Heiligen Vaters“. Diese offen zur Schau gestellte Arroganz und Unantastbarkeit des Altherrenvereins, genannt Vatikan, vermag noch viel mehr zu verletzen als der unsinnige Antisemitismusvergleich des Papstpredigers Cantalamessa, denn an Sodanos Aussage wird – im Vergleich zur Aussage Cantalamessas – deutlich, dass man sich nicht einmal in einer Situation sieht, in der man sich in irgendeiner Weise verteidigen muss, und sei es auch nur durch kopflose Vergleiche, um die eigene Schuld zu relativieren. Nein, der Schuldbegriff scheint dem Vatikan fremd zu sein, weshalb Benedikt auf dem Peterplatz für die „moralische Erleuchtung“ der Welt betet, ohne seine pädophilen Schergen in dieses Gebet ganz offen mit einzuschließen.

Vollkommen richtig titelt der aktuelle SPIEGEL „Der Unfehlbare“ und absolut berechtigt wird der irische Kommentator Maurice O’Connell der „Sunday Tribune“ mit folgender Aussage zitiert:

Warum konnte Benedikt nicht in ein Flugzeug steigen und zwölf Opfern die Füße waschen?

Verstehe ich als Außenstehender die Ostergeschichte richtig, dann hat sich – und ist dies nicht auch die Kirchenlehre? – Jesus aus Liebe zu den Menschen selbst erniedrigt, um sie zu versöhnen. Also warum zögert Benedikt? Warum eifert er seinem Vorbild nicht nach?

Als Jude kann es mir egal sein, ob die Katholiken für unsere Erleuchtung beten oder nicht, denn was bedeuten uns schon die Worte des Vatikans und welchen gesellschaftlichen Einfluss hat die Kirche noch in Europa? Doch unser Verstand und das mosaische Gebot der Nächstenliebe fordern uns auf, den Missbrauchsopfern mit Empathie zu begegnen – über die konfessionellen Grenzen hinweg. Als Juden sollten wir uns nicht empören, weil alte Herren im Vatikan meinen, den g’ttlichen Bund mit Israel immer wieder neu zu definieren, doch mit Empörung und Menschlichkeit(nicht weil wir Juden, sondern weil wir einfach Menschen sind) sollten wir auf das allzu große Leid vieler katholischer Kinder reagieren, die einer religiösen Autorität ausgeliefert waren und noch heute darunter leiden.
Zeigen wir Benedikt, dem Vertreter der Religion der Nächstenliebe, was praktizierte Nächstenliebe tatsächlich bedeutet. Ja, stellen wir diesen alten Mann bloß!