In der Gegenwart leben

Eine Zen-Geschichte:
Ein junger Mann kam zum Meister und berichtete ihm von seinen Erlebnissen.
“Im Himalaya traf ich einen weisen alten Mann, der in die Zukunft sehen kann. Diese Kunst lehrte er auch seine Schüler.”, sprach er voller Begeisterung.
“Das ist keine Kunst.”, sagte der Meister. “Mein Weg ist viel schwieriger.”
“Wirklich?” fragte der junge Mann. “Wie ist euer Weg, Herr?”
“Ich bringe den Menschen bei, die Gegenwart zu sehen.”

Als ich diese Geschichte zum ersten Mal las, musste ich zunächst schmunzeln, fühlte mich aber auch „ertappt“, denn auch bin mit Gedanken oft in der Vergangenheit, im nächsten Moment oder in der weiteren Zukunft, anstatt im jetzigen Augenblick. Da kann es leicht passieren, dass man sich von der Gegenwart entfernt und außerhalb des Lebens steht, da man den Moment und was gerade ist, nicht bewusst wahrnimmt und so auch viele schöne Augenblicke verpassen kann. Dabei ist der wichtigste Moment doch immer der, der jetzt gerade ist. Was vergangen ist, lässt sich nicht mehr ändern. Was kommt, können wir nicht wirklich wissen und kommt oft sowieso anders als erwartet oder geplant.

Das bedeutet natürlich nicht, dass wir planlos durch das Leben gehen und keine Gedanken an die Zukunft verschwenden sollen. Aus der Vergangenheit lernen wir und natürlich müssen wir auch Ziele haben und Entscheidungen treffen, die in die Zukunft gehen. Im Hier und Jetzt zu leben bedeutet vielmehr achtsam zu sein und sich ganz auf den jetzigen Moment einzulassen. Mit allen Sinnen bei dem zu sein, was gerade ist oder was man gerade tut und sich nicht schon gedanklich im nächsten Augenblick, bei der nächsten Tätigkeit, bei der nächsten Aufgabe oder dem nächsten Gespräch zu befinden. Nur in der Gegenwart können wir unser Leben genießen, es aktiv gestalten, ändern was sich ändern lässt und lernen hinzunehmen, was sich nicht ändern lässt. Nur in der Gegenwart können wir SEIN.

Innere Fröhlichkeit

 

Als ich 5 Jahre alt war, hat mir meine Mutter immer gesagt, dass Fröhlichkeit das wichtigste im Leben sei. Als ich in die Schule kam, wurde ich gefragt, was ich sein will, wenn ich groß bin. Ich schrieb ‚fröhlich‘.  Sie meinten, ich hätte den Arbeitsauftrag nicht verstanden. Ich sagte ihnen, sie hätten das Leben nicht verstanden.“
(John Lennon)

Ich finde das ist ein wundervolles Zitat, vor allem der letzten Satz. Fröhlichkeit ist wichtig, um das Leben – wie immer es auch sein mag – zu leben, das Schöne, das uns tagtäglich geschenkt wird zu sehen und auch das Schwere zu bewältigen. Fröhlichkeit hängt eng zusammen mit der Dankbarkeit. Sie kommt von innen und ich glaube, dass wirklich jeder Mensch diese innere Fröhlichkeit in sich trägt, oftmals ist sie nur verschüttet.

Kleine Kinder sind ein gutes Beispiel für innere Fröhlichkeit. Sie sind neugierig auf das Leben, lachen herzlich und freuen sich an vielen Dingen, selbst dann, wenn die äußeren Umstände nicht so positiv sind. Denn im Gegensatz zu uns Erwachsenen leben sie viel mehr im Moment. Sie können sich im Moment freuen, wie auch immer die äußeren Umstände sein mögen.
Wenn wir heranwachsen geht uns diese innere Fröhlichkeit häufig verloren. Sie wird verschüttet durch Lebensumstände, Schicksalsschläge, Lasten aus der Vergangenheit oder der Gegenwart oder durch die Sorge um die Zukunft. Die innere Fröhlichkeit wird zurückgedrängt, Hoffnungslosigkeit kann sich breit machen und der Fröhlichkeit den Raum nehmen und manchmal sinkt dann auch der Lebensmut. Schwierigkeiten und Schicksalsschläge, die jeder Mensch auf irgendeiner Weise zu tragen hat, sind Teil unseres Lebens und als solchen müssen wir sie akzeptieren. Die Vergangenheit ist da, um aus ihr zu lernen. Genauso ist aber die innere Fröhlichkeit ein Teil von uns. Manchmal müssen wir uns nur daran erinnern und manchmal braucht es jemanden der uns daran erinnert, damit wir uns in uns auf die Suche machen, um sie wiederzufinden.

 

 

Staunen können

Ich bitte dich hinaus zu geh'n
die wilde Schönheit einzusaugen,
die Wunder der Erde zu beseh'n
mit dem Staunen von Kinderaugen

Edna Jaques

Können wir eigentlich noch staunen?
In unserer heutigen Zeit, die sehr schnelllebig ist und in welcher die Wissenschaft fast alles erklären kann, fällt es uns oft schwer kleine Dinge bewusst wahrzunehmen und über etwas zu staunen.

Wenn wir gesund sind, ist es für uns normal und selbstverständlich, dass wir uns bewegen, sehen, hören und sprechen können. Wir wissen warum es möglich ist und was im Körper dabei abläuft. Es ist auch normal und selbstverständlich für uns, dass auf einen Winter der Frühling folgt, dass dann alles beginnt zu blühen, die Tage länger und wärmer werden. Es ist normal, dass auf eine Nacht der Tag folgt, dass es Regen gibt oder dass die Sonne scheint. Wir kennen oft alles bis zur kleinsten Zelle und ihren Aufbau mit ihrem Zellkern, den Ribosomen, Vesikel, Golgi-Apparat, Mitochondrien und ihre Funktionen. Wir wissen um kleinste Teilchen wie Atome, Elektronen Neutronen und Quarks. Ja selbst die Gene können wir bestimmen und verändern. Wir wissen was im Inneren eines Menschen abläuft, welche Funktionen in Gang gesetzt werden, zum Beispiel bei der Nahrungsaufnahme, beim Sprechen, beim Sehen und Hören. Wir wissen um die physikalischen Gesetze, um Ordnungsmuster in der Natur und um chemische Strukturen.

Können wir da trotzdem noch staunen über die scheinbar einfachen Dinge?
Staunen über einen Sonnenaufgang, über das Gras oder die kleine Blume, die den Asphalt durchbricht. Staunen über den Frühling, wie er in jedem Jahr aufs Neue geschieht, einfach so. Fast über Nacht beginnt alles zu blühen und auch die Zugvögel kehren zurück. Ich staune immer wieder darüber, wie sie ihren Weg finden. und wissen wann sie aufbrechen müssen. Aber ich staune auch über den Aufbau einer Zelle, wie perfekt alles angelegt ist, über die physikalischen Gesetze und die chemischen Strukturen, über all das was die Wissenschaft erforscht, aufgedeckt und uns an Wissen zugänglich gemacht hat. Und ich muss gestehen ich staune trotz allem Wissen darüber immer wieder, dass ich mich mit einem Menschen per Telefon unterhalten kann, der hunderte von Kilometern entfernt ist, so als ob diese Person direkt neben mir steht.

Jedoch bleibt bei allem was wir wissen und erforscht haben so manches mal die Frage nach dem 'Woher' und dem 'Warum' unbeantwortet. Vielleicht werden wir auch diese Fragen eines Tages beantwortet können, vielleicht aber auch nie ganz.
Aber wenn ich zum Beispiel auf einem Berg stehe und in die unendlich scheinende Ferne blicke, wenn ich sehe wie sich ein Vogel scheinbar schwerelos durch die Lüfte bewegt, wie Steinböcke und Gemsen mit Leichtigkeit steilste Felsen überwinden ohne abzustürzen, wie aus Felsen Blumen und Sträucher wachsen können, wie die Wolken dahin ziehen, dann muss ich gestehen, denke ich nicht nach über physikalische Gesetze, Erklärungen oder nach dem "Warum". Dann freue ich mich einfach an dem Anblick und genieße den Augenblick. Dann staune ich und finde einfach alles nur "wunder-bar" – und ich danke Gott dafür.

Wann und worüber haben Sie zuletzt gestaunt?

"Die schönste Erfahrung, die wir überhaupt machen können, ist jene des Geheimnisvollen. Es ist das grundlegende Gefühl, das am Ursprung wahrer Wissenschaft und wahrer Kunst steht. Alle, die dieses nicht kennen und nicht mehr staunen können, sind so gut wie tot und ihre Augen sind verblasst."
Albert Einstein

 

 

 

 

 

Staunen

Die Menschen reisen in fremde Länder
und staunen über die Höhe der Berge,
die Gewalt der Meereswellen,
die Länge der Flüsse,
die Weite des Ozeans,
das Wandern der Sterne.
aber sie gehen ohne Staunen
aneinander vorbei.

Aurelius Augustinus

Können wir noch Staunen und was lässt uns staunen? Diese Frage lässt sich natürlich nicht allgemein sondern nur individuell beantworten, aber wenn wir staunen, dann ist es doch meist so, wie es in dem Zitat von Aurelius Augustinus beschrieben ist.  Wir staunen über so vieles in der Welt, aber an unseren Mitmenschen gehen wir oft achtlos vorbei.

Aber sind nicht auch unsere Mitmenschen zum Staunen?
In ihrem Leben, ihrem Wesen, ihrer Vielfalt und ihrem Sein. Manche Menschen sind sich ähnlich und doch ist keiner ganz gleich. Jeder ist ein Individuum mit eigenen Vorlieben, Interessen, Gedanken, Talenten und eigenem Aussehen. Manches ist sofort erkennbar, anderes muss entdeckt werden. Wenn wir versuchen den MENSCH hinter dem  äußeren Menschen zu sehen, werden wir bestimmt vieles entdecken, das auf dem ersten Blick nicht erkennbar war und ich bin mir sicher, dass uns so  manches in Erstaunen versetzen wird.


 

 

 

 

Innerer Reichtum


Reich ist, wer viel hat;
reicher ist, wer wenig braucht;
am reichsten ist, wer viel gibt.
(Gerhard Tersteegen)

„Reich ist, wer viel hat“ – im ersten Moment denken wir hierbei wahrscheinlich an Besitz, Gut und Geld. Aber schon beim Weiterlesen wird schnell klar, dass es auch noch einen anderen Reichtum gibt.

Jeder Mensch, auch der, der materiell arm ist, kann etwas geben. Es müssen nicht immer materielle Dinge sein oder Geld, sondern auch Zeit, Zuwendung oder Liebe. Zum Beispiel Zeit für jemanden da zu sein und zuzuhören oder Zeit und Kraft sich ehrenamtlich einzusetzen für ein Hilfsprojekt. Wir können von unserem Wissen geben, Zuwendung, Herzenswärme oder ein gutes und hilfreiches Wort. Es gibt viele Möglichkeiten und durch dieses Geben, erwirbt sich ein Mensch großen Reichtum. Nicht der materielle Reichtum ist hier gemeint, sondern der innere Reichtum, der bleibt und nicht verloren geht und der uns dankbar macht. Denn, wie ich selbst immer wieder feststellen kann, ist man durch das Geben ja meist selbst der/die Beschenkte.

Was ein Mensch an Gutem in die Welt hinausgibt, geht nicht verloren.
(Albert Schweitzer)


Schenken

Das Geschenk

Auf einer der größeren Inseln vor der Küste lebte ein Schüler, der seiner Lehrerin eine ganz besonders geformte Muschel schenkte.
Sie dankte ihm erfreut und bemerkte: „Ich habe noch nie eine so wunderbare Muschel gesehen, sie ist ganz außergewöhnlich schön! Wo hast du sie denn gefunden?”
Der Schüler erzählte ihr von einer versteckten Stelle am anderen Ende der Insel und dass dort hin und wieder solch eine Muschel angeschwemmt werden würde.
„Ich danke dir nochmals von Herzen. Aber du hättest doch keinen so weiten Weg machen sollen, nur um mir etwas zu schenken.” Darauf antwortete der Schüler: „Aber der weite Weg ist doch ein Teil des Geschenks …”

(Verfasser unbekannt)

Ich mag diese Geschichte, denn sie zeigt meines Erachtens sehr gut, was den wirklichen Wert eines Geschenks ausmacht. Der Junge schenkt nicht nur eine besonders schöne Muschel, sondern auch “den weiten Weg”, den er dafür gegangen ist. Er hat hat somit auch ein Stück von sich selbst hineingelegt. Der Weg, der Teil des Geschenkes ist, beinhaltet Zeit, Mühe, Achtsamkeit und Liebe und das macht das Geschenk so überaus wertvoll. Weiterlesen

Sichtweise

Zwei Gefangene sahen durch Gitter in die Ferne.
Der eine sah nur Schmutz, der andere die Sterne
.
(unbekannt)

Ist somit alles nur eine Frage der Sichtweise?

Was sehe ich wenn ich sehe?
Sehe ich den Schmutz, oder sehe ich die Sterne?

Was höre ich wenn ich höre?
Höre ich nur die Misstöne des Schmutzes oder lausche ich der Melodie der Schönheit?

Was fühle ich, wenn ich fühle?
Lasse ich mich vom Schmutz berühren oder von der Schönheit überwältigen ?

Der Schmutz ist genauso wahr wie die Schönheit und auch das Grau im Leben ist wichtig, denn nur dort kommen die bunte Farbtupfer des Lebens zur Geltung. In einem bunten Bild wären sie nicht zu erkennen und nichts Besonderes. Im Grau leuchten sie auf und können uns positiv berühren und Freude schenken. Dann liegt es allein an mir, ob ich auf die Farbtupfer sehe ,oder meinen Blick im Grau verharren lasse.